Quelle dieses interessanten Berichtes von Karl Linnhof (1871-1959) ist der nicht veröffentlichte Entwurf einer Geschichte der Kirchengemeinde Meiningsen von Pastor Wolfgang Rausch. Die Erinnerungen des Karl Linnhof beruhen z. T. auf Erzählungen seines Vaters und eigenen Erlebnissen. Die Rechtschreibung des Originals wurde in dieser Abschrift der heutigen angepasst. [2]
"In den Jahren von 1830-1840 hat der Pastor Hermanni der Kirchengemeinde Meiningsen das verlorene Patronatsrecht, welches die Stadt Soest an die Kirchengemeinde zu leisten hatte, der Kirchengemeinde wiedergegeben. Durch einen guten Freund vom Gericht Soest war ihm heimlich mitgeteilt worden, dass in den alten Gerichtsakten, die als Altpapier verkauft wurden, die Dokumente vorhanden seien.
Die Kirchengemeinde Meiningsen war verpflichtet, aus den drei von der Stadt Soest aufgestellten Kandidaten einen als Pastor zu wählen. Dafür mußte die Stadt Soest zwei Drittel an Unterhaltungskosten an Kirche und Küsterhaus in Meiningsen zahlen. Hermanni hat darauf mit der Stadt Soest einen Prozess geführt, welcher zwei Jahre gedauert hat, und die Kirchengemeinde Meiningsen wieder zu ihrem Recht gekommen ist. Hermanni ist aber von einem Landwirt Borghof verleumdet worden, was man hier nicht wiedergeben kann. Herr Pastor Hermanni wurde daraufhin vor das Konsistorium in Münster geladen und nach Abschluß der Verhandlungen entlassen.
Als Nachfolger von Hermanni wurde Herr Pastor Geck, auch ein Soester, gewählt. Unter seiner Amtszeit wurde der jetzige Friedhof 1887 angelegt, an dem der Landwirt Casper Linnhoff viel Interesse gezeigt hat und der Kirchengemeinde einen Betrag von 270 Mark gegen 4 % Zinsen zur Verfügung stellte, und auch die Anpflanzungen und auch die Planierungen geleitet hat.
Pastor Geck war ein frommer und treuer Seelsorger der Kirchengemeinde. Nach seinem Tode 1890 wurde Herr Raabe, auch ein Soester Kind, aus drei aufgestellten Kandidaten gewählt.
Am Tage der Wahl war die Begeisterung sehr groß, daß sich drei Parteien gebildet hatten, und jede wollte dem Kandidaten zuerst die Nachricht überbringen. Zwei Landwirtssöhne zu Pferde (Anmerkung Rausch: Vielleicht war Herr Linnhof, 1890 zwanzigjährig, einer der Reiter) standen bereit und konnten als erste in 15 Minuten das Ergebnis der Wahl bei Raabe melden. Die zweite Partei gab bis an die Stadt Soest durch Pistolenschüsse die Wahl durch, von denen ein Läufer die Nachricht überbrachte. Die dritte Partei verständigte sich durch Flaggenzeichen auch bis an die Stadtgrenze, wo es von dort durch einen Läufer überbracht wurde.
Bei den Eltern des Herrn Pastor Raabe am Markt herrschte große Freude, und die Überbringer der Nachricht wurden mit gutem Frühstück und Wein bewirtet, und wie man erfuhr, auch mit einem Trinkgeld bedacht.
Aber das größte Aufsehen, was Soest erleben durfte, war, als der Pastor Raabe nach Meiningsen abgeholt wurde. Sechs Kutschwagen, in welchen das Presbyterium Platz genommen hatte, folgte eine Eskorte von 60 Reitern, welche von Heinrich Hengst geführt wurde. Vor dem Hause des Vater Raabe am Markt nahm der Zug geordnet Aufstellung. Das Presbyterium wurde von Herrn Raabe in sein Haus gebeten, auch die Reiter wurden zur Hälfte zu Gast geladen, während die andere Hälfte die Pferde bediente und nachher von den anderen abgelöst wurde. Die Tische, an denen Platz genommen wurde, waren voll von schönen Leckerbissen, was Küche und Keller zu geben vermochten, aufgestapelt. Auch an gutem Wein war kein Mangel, so dass jeder seinen Appetit und Durst nach Herzenslust befriedigen konnte.
Nach mehrstündigem Aufenthalt setzte sich der Zug, wo im ersten Wagen Pastor Raabe Platz genommen hatte, nach Meiningsen in Bewegung. Vor der Kirche in Meiningsen unter feierlichem Glockengeläut löste sich der Zug auf, wo dann ein gemeinsamer Gottesdienst stattfand.
Pastor Raabe hat sein Amt mit dem langjährigen Kirchmeister Heinrich Blumendeller und dem Presbyterium in guter Harmonie geführt. Auch durch den Weltkrieg hat er seine Kirchengemeinde mit allem ihrem Herzeleid hindurch gebracht, bis vor dem zweiten Weltkriege eine Zersplitterung mit den Deutschen Christen sich bemerkbar machte, hat er sein Amt nieder gelegt und sich in Godesberg zur Ruhe gesetzt.
Nun begann für die Kirchengemeinde eine wechselvolle Zeit. Herr Pastor Klemen, Ostönnen, übernahm die Betreuung der Kirchengemeinde Meiningsen. Die Predigten an Sonntagen wurden zeitweise von Vertretern abgehalten, und die wenigen Kirchgänger konnten sich an den Wechsel nicht gewöhnen, zumal von außen her die Kirche immer mehr bedrängt wurde. Nach dem Tode des Herrn Pastor Klemen übernahm Herr Pastor Jansen, Schwefe, die Betreuung der Kirchengemeinde Meiningsen. Er hat wohl die schwerste Zeit durchmachen müssen, die je einem Nachfolger auferlegt worden ist. Die kleine Zahl seiner Anhänger hat seinen Mut und seine Tapferkeit, welche Herr Pastor Jansen für die Kirchengemeinde dargebracht hat, sehr bewundert.
Nach dem Zusammenbruch des schrecklichen Krieges 1945 wurde dann der aus dem
Kriege zurückkehrende Herr Rausch, auch ein Soester, zum Pastor der
Kirchengemeinde gewählt.
Herr Pastor Rausch hat auch eine schwere Zeit durchmachen müssen, da er an einer
Nierenerkrankung gelitten hat. [Anmerkung von Dela
Risse: In der Zeit dieser Erkrankung hat Pastor
Wolfgang Rausch den Entwurf zur Kirchengeschichte begonnen.]
Auch eine große Sorge muss es für ihn sein, dass die Einwohner der Kirchengemeinde schwer wieder den Weg zu ihrem Gotteshause finden können. Aber wir wollen hoffen, daß Herr Rausch mit Ruhe und Liebe zu seiner Gemeinde auch den Letzten in sein Gotteshaus zurückführen wird."